Samstag, 16. Januar 2010

Was beim Change Management in Redaktionen beachtet werden muss

Wenn wir über die nötigen Veränderungen in Verlagshäusern sprechen, dann geht es immer auch um die interne Gestaltung dieser Wandlungs- und Restrukturierungsprozesse. Die Ausrichtung auf die neuen Marktbedingungen setzt in Unternehmen ein Umdenken in den Köpfen aller Mitarbeiter voraus. Das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, haben wir schon in dem vorherigen Beitrag “Den Wandel wachrütteln” dargelegt.
In der Betriebswirtschaftslehre lässt sich dazu die Disziplin des Change Managements oder Veränderungsmanagements heranziehen. Aufbauend auf Kurt Lewin, der in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Grundlagen für “Organizational Change” legte, wurde Change Management in den letzten Jahren von verschiedensten Seiten, insbesondere in der Beratung, popularisiert. Mittlerweile gibt es ein unüberschaubares Feld an Beratungshäusern und Consultants, die freiberuflich ihre Unterstützung beim Wandel von Unternehmen anbieten. Auch in der Wissenschaft vermischen sich oftmals theoretische und praktische Bezüge, so dass in Buchform eine ganze Reihe an Praxisratgebern zum Change Management vorliegen. Für Deutschland untersuchen Capgemini sowie IBM regelmäßig den Status Quo des Change Managements in deutschen Unternehmen.

Spezifische Publikationen zu Veränderungen in Verlagen sind hingegen selten. Insbesondere die Transformation der Redaktion, also des Herzstückes und Verlagskernes (das bestätigt auch wieder Christoph Keese im Turi2-Interview), wird nicht in dem Maße behandelt, wie es nötig wäre. Ich habe dazu erst vor Kurzem einen Impulsvortrag gehalten und die Charts hier einmal in kurzer Slideshare-Form aufbereitet.






Diese Präsentation zeigt, wie wichtig eine strukturierte, gesteuerte, nicht evolutionäre Veränderung der Redaktion ist. Dabei ist Change Management für Verlage gar nicht so neu, wie man zunächst denken könnte. Auch die Veränderung von Redaktionen ist kein Novum: Bereits mit der Umstellung von Schreibmaschine auf Desktop-PC in den Redaktionen (“Vom Redakteur zum Redaktroniker”) Mitte der siebziger Jahre mussten Journalisten Wandel akzeptieren und neue Fähigkeiten entwickeln. Der Widerstand war zu damaligen Zeiten gewaltig. Change Management ist dann auch im Zuge der Einführung von Newsrooms erstmals als Begriff in die Redaktion eingebracht worden — Prof. Dr. Klaus Meier hat dazu in der Medienwirtschaft geschrieben.
In jedem Fall muss der Anstoß von Chefredaktion und Unternehmensleitung kommen: Sie müssen Ideen und Visionen entwickeln und in neue Strukturen, Technik und Personal investieren. Genauso wichtig ist, dass Chefredakteure ihr Team mitnehmen und das kreative Potential einer Redaktion nutzen. Change Management war in Redaktionen bis vor kurzem ein Fremdwort – heute ist es überlebenswichtig.
Heute geht es nicht mehr nur um die “Computerisierung” des Journalismus, sondern, darum Journalisten und ihr Rollen und Berufsbilder nachhaltig zu wandeln. Wenn das aber geschehen soll, dann ist es nötig, die Spezifika der Redaktion zu beachten. Denn hier liegt ein entscheidender Unterschied zur Transformation “normaler” Abteilungen.

  • Berufsethische Probleme und journalistische Sonderstellung: Das Rollenverständnis des Journalisten umfasst in Deutschland ganz stark auch die Forderung nach Freiheit und Unabhängigkeit des Berufes, insbesondere geprägt durch historische Kontexte wie die Gleichschaltung während des Dritten Reiches. Journalisten haben, auch rechtlich, die Rolle eines Sprachrohres der Gesellschaft. Ihnen kommen zur Wahrnahme dieser Aufgabe bestimmte Sonderrechte wie das Beschlagnahmeverbot und Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dies sind wichtige Grundlagen, die die demokratische Meinungsbildung innerhalb der Bundesrepublik stützen. Historisch gewachsen kommt der Redaktion in Verlagen daher auch eine strukturelle Sonderstellung zu. Das ist richtig und wichtig, damit sie ihrer Öffentlichen Aufgabe, die in den Landespressegesetzen festgeschrieben ist, nachkommen kann.
    Change Management kann jedoch teilweise mit diesen Sonderstellungen kollidieren bzw. es kann der Anschein einer Kollision entstehen. Journalisten reagieren auf diese Entwicklungen - sicherlich teilweise zu Recht - empfindlich. Auf der anderen Seite können diese Argumente von unzufriedenen Mitarbeitern auch genutzt werden, um Wandlungsprozesse taktisch zu attackiert. Beispiele sind (öffentliche) Verweise auf die “Einschränkung der internen Pressefreiheit” u. ä. Journalisten sind daher Mitarbeiter, die in Change Prozessen insbesondere eingebunden werden müssen: Alle Schritte des Wandels sollten eng mit ihnen abgestimmt werden. Wenn dies nicht gelingt, kann es auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Die Fusion von Chefredakteur und Geschäftsführung und ähnliche Restrukturierungsprozesse können, wie das Beispiel der Berliner Zeitung unter Josef Depenbrock zeigt, bis zu öffentlichkeitswirksamen, gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Eigentümer und Redaktion führen.
  • Interne Organisation: Die Aufteilung in Ressorts untergliedert die Redaktion zumeist weitergehend. Das macht Change Management in der Redaktion nicht leichter, da es zusätzliche Strukturen schafft, die überwunden werden müssen. Zudem bestehen oftmals interne Spannungen zwischen den einzelnen Ressorts und ihren Redakteuren.
  • Autonomie mancher Redaktionen: Einige Redaktionen können auch heute noch recht autonom unter ihren gewachsenen Strukturen walten. Veränderungen sind in diesen besonders schwierig, da sie als Einmischung in journalistische Hoheitsgebiete gewertet werden.
Sarah Schantin-Williams hat sich in mehreren (nicht frei erhältlichen) Studien der IFRA mit diesem Thema beschäftigt. Hier ein interessantes Interview mit ihr zum Thema “Change management into the newsroom”.



Leider thematisiert sie nicht die Spezifika der Redaktion, wobei sie natürlich schon darstellt, wie wichtig der Change gemeinsam mit den Mitarbeitern (Communication und Involvement) ist.

Zu erst veröffentlicht am 17. Dezember 2008, 11:06 Uhr auf Zeitungsperspektiven.de

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