Samstag, 16. Januar 2010

Die Zukunft journalistischer Produkte: Wer finanziert wen woraus?

In Zeiten der Medien- und Anzeigenkrise rufen derzeit viele Verlagsmanager nach einem “Revival” der bezahlten Inhalte, des Paid Contents, in Zeitungsverlagen. Aktuelles Beispiel ist das “100 Days of Change” Programm der Hearst Corporation (mit dem Jeff Jarvis abrechnet). Auf den Punkt bringt diese Diskussion James Warren in seinem kürzlich erschienenen Artikel “When No News Is Bad News” in “The Atlantic”:
The New York Times, Los Angeles Times and Chicago Tribune are among those organizations that have spent many millions of dollars covering the Iraq War, with each outlet paying for multiple reporters, translators, full-time drivers, guards, bullet-proof armored cars, year-round office space, office managers, and security consultants with intelligence backgrounds to provide threat assessments. And all of them give that work away for free online.

Einige Verlage haben sich bereits für eine Paid Content-Strategie entschieden. Erst kürzlich stieß ich beim Auftritt der Sächsischen Zeitung, zugehörig zu Gruner+Jahr, im Lokalteil auf folgende Meldung:
willkommen bei SZ-Exklusiv, dem Internet-Premiumdienst der Sächsischen Zeitung. Tag für Tag sind bei der SZ über 100 Redakteure für Sie im Einsatz. Direkt vor Ort, in Sachsen, in ganz Deutschland und sogar rund um den Globus recherchieren wir für Sie, worauf es aus sächsischer Sicht ankommt.
Recht haben sie beide: guter Journalismus kostet Geld und muss finanziert werden. Wir haben in verschiedenen Artikeln auf diesem Blog darauf hingewiesen, dass Verlage bei Kosteneinsparungen in der Redaktion am falschen Ende sparen und somit final auch ihr Alleinstellungsmerkmal beschädigen können. Doch kann Paid Content tatsächlich ein Modell für die Zukunft sein? Wir haben uns im Zuge der Diskussion verschiedene — auch durchaus alternative — Optionen angeschaut. Leitend war dabei die Fragestellung Wer finanziert wen woraus?

Antworten auf diese Frage können, im Detail betrachtet, vielschichtig sein. Ziel war es jedoch, einen Oberbau zu liefern. Aus diesem lassen sich unserer Meinung nach zunächst fünf Modelle für die (zukünftige) Finanzierung von Journalismus ableiten.

Wer finanziert wen woraus? Modell
Anzeigenkunden Medienunternehmen, respektive Redaktionen Werbeschaltungen Kuppelprodukt
Private Käufer Medienunternehmen, respektive Redaktionen Kaufpreis Paid Content
Aggregatoren, Syndikatoren, sonstige Unternehmen Medienunternehmen, respektive Redaktionen Kaufpreis Lizenzierung
Investoren, Mäzene Medienunternehmen oder
einzelne Journalisten oder
freie Journalistenbüros
privates Vermögen oder
alternative Einnahmequellen
Crowdfunding / Mäzenentum
Medienunternehmen Redaktionen Einnahmen, die in alternativen Geschäftsfeldern generiert werden Querfinanzierung

Das Modell Kuppelprodukt ist die klassische Variante der Finanzierung von Journalismus in Verlagen. Durch die Schaffung eines ansprechenden redaktionellen Umfeldes entsteht ein attraktiver Raum für die Platzierung von Werbung durch Anzeigenkunden. Die journalistischen Bemühungen werden also aus Werbung finanziert, welche erst geschaltet werden kann, weil es Journalismus gibt. Wissenschaftlich wird Kuppelprodukt oft noch weiter definiert, in diesem Rahmen soll aber diese Definition genügen.

Wie wir im Blog bereits öfter gezeigt haben, wird der Kampf um Werbekunden im Internet jedoch permanent aufwendiger, weshalb dieses Zusammenspiel stärker unter Druck gerät. Werbekunden sind nicht mehr auf Trägermedien wie Zeitungen angewiesen und können beispielsweise in digitalen Medien eine neue Form des Dialogs mit dem Kunden — über reine Anzeigen hinaus — initiieren.
Das Modell Paid Content finanziert Journalismus aus dem Preis, der direkt vom Endkunden für den Erwerb des journalistischen Produkts gezahlt wird. Auch hierbei handelt es sich um eine klassische Finanzierungsvariante. Allgemein bekannt ist jedoch, dass die Zahlungsbereitschaft im Onlinebereich tendenziell geringer ist (”Content is free”) und zudem immer wieder Probleme bei der Zahlungsabwicklung auftreten. Scott Karp schrieb dazu z. B.: So here we were, ready to spend $4 even $5 dollars on content, and nobody would take our money. Seriously.
 
Mischformen aus Kaufpreis und Anzeigeneinnahmen sind heute die Hauptfinanzierungsquelle für journalistische Print- und Onlineprodukte von Verlagen. In den letzten Jahren hat sich der Anteil jedoch stärker zum Kaufpreis verschoben, weshalb Printprodukte kontinuierlich teurer geworden sind.
Wenn aber dieses Modell immer stärker ins Wanken kommt, dann stellt sich die Frage, wie alternative Finanzierungsformen der Zukunft aussehen könnten.
Zunächst soll hier ein Blick auf das Modell Lizenzierung geworfen werden. Hierbei tritt ein alternatives Unternehmen als Käufer der redaktionellen Inhalte auf. Dies kann bei der Lizenzierung von Content für interne Zwecke (vgl. Vorschlag von Christoph Keese) beginnen und bei dem etwas fantasievoll anmutenden Vorschlag, Google solle für die Links auf Inhalte Abgaben an Verlage zahlen (vgl. dazu “Show me the money”), enden. Die Wahrheit liegt wohl eher in der Mitte: Mit internen Pressespiegeln lässt sich wenig Geld verdienen und Google zu Abgaben zu zwingen bewegen. Vielleicht werden aber anders geartete Syndikatoren oder Onlineanbieter, die professionelle Inhalte benötigen (Communities, Soziale Netzwerke, Firmen), in Zukunft als Käufer auftreten. Wenn es Verlagen gelingt, gegenüber diesen ein Lizenzierungsmodell aufzubauen, kann das eine Form der neuen Journalismusfinanzierung darstellen.

Als weitere Vorschläge gelten Crowdfunding und Mäzenentum. Hierbei handelt es sich um neue Formen der Finanzierung, denen im vergangenen Jahr viel Beachtung geschenkt wurde. Beide sind dem Paid Content Modell nahe, da private Endkäufer für Inhalte bezahlen, jedoch eher freiwillig fundiert. In einem Kommentar auf diesem Blog schreibt Katja Kaufmann:
Wie wäre es denn damit: Kachingle ist ein Start-Up, das es ermöglicht, Content im Internet freiwillig und nach dem Gießkannenprinzip zu bezahlen. Ein Anfang, um für wertvoll erachteten Online-Journalismus zu unterstützen, statt Bezahlbarrieren zu errichten?
Kachingle ist ein oft erwähntes Beispiel, das auch Spiegel Online nennt. Es stellt aber nur eine Möglichkeit der Finanzierung durch Mäzene dar. Denkbar sind auch Modelle, in denen Privatpersonen in einzelne Artikel (z. B. freier Journalisten) investieren, um später unter Umständen einen Return aus dem Verkauf der Geschichte zu ziehen — spot.us gilt hier als Beispiel.

Medienunternehmen treten hier zunächst nicht in Erscheinung, das Modell wirkt recht befreit von Institutionen. Natürlich bedarf es aber einer organisatorischen Einheit, die Plattform, Mittel und Rahmenbedingungen schafft, so dass Journalismus über Crowdfunding finanziert werden kann. Medienunternehmen können hier eine neuartige Servicefunktion einnehmen, indem sie sich als Vermittler sowie Ermöglicher positionieren.
Denkbar ist jedoch auch, dass Journalismus in Medienunternehmen im Modell Querfinanzierung zu einem Prestigeobjekt verkommt. Diese Unternehmen generieren ihre Einnahmen zukünftig in neuen Geschäftsfeldern und finanzieren damit die journalistischen Leistungen. Journalismus ist dann nur noch eine Werkzeug der eigenen Markenpflege und Positionierung gegenüber dem Kunden. Diese Zukunftsvorstellung ist nicht gerade erbauend und dürfte zu kritischen Diskussionen im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe und demokratische Funktion des Journalismus führen.

Die einzelnen Finanzierungsmodelle können auch frei miteinander kombiniert werden — wie Kuppelprodukt und Paid Content heute schon im Printprodukt zusammengeführt sind.

Zu erst veröffentlicht am 01. März 2009, 22:14 Uhr auf Zeitungsperspektiven.de

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